Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Sagenhaft! 40 Jahre Samuelis Baumgarte Galerie

8 Wenn wir das Wort „sagenhaft“ benutzen, so tun wir das, um etwas zu kennzeichnen, das zumindest wahr- scheinlich nicht real ist oder war, oder von dem man nicht weiß, wo es beheimatet war. Wie die sagenhaf- ten Länder Omir und Punt, die, so die Überlieferung, über unglaubliche Schätze verfügten. Oder, da die vorgestellte Realität von großer, staunensreicher Wirkung ist, um etwas in seiner außergewöhnlichen Anmutungsqualität zu beschreiben, die mit dem Sa- genhaften verbunden ist. Das Sagenhafte beinhaltet immer etwas Unerhörtes, Aufregendes, Ungesehe- nes, Ungewöhnliches. Was stets genau so ist, ist die Kunst. Sie zeigt neue, bisher nie gesehene Bilder, Hervorbringungen der Ein- bildungskraft ebenso wie Deutungen der Wirklichkeit, sie ergreift uns, macht uns atemlos, erstaunt und überrascht. Nur konsequent, dass die Jubiläumsschau der Samuelis Baumgarte Galerie unter diesem Motto steht, „Sagenhaft!“.Seit 40 Jahren gibt die Galerie der Kunst ein Forum, der etablierten wie der nachrücken- den. Und immer wieder ist das Feld dabei erweitert worden, wurde Kunstgeschichte geschrieben. Der Blick in die exquisite Namensliste belegt das: Jo- sef Albers und Ruth Baumgarte, Tony Cragg, Fernan- do Botero und Ernst Ludwig Kirchner, Ernst Wilhelm Nay und Pablo Picasso setzen ein hohes Anspruchs- niveau, sekundiert von Rolf Kuhlmann, Kirsten Geisler und Patricia Thoma, Christine Schindler und Cornelius Quabeck sowie Nicolas Grospierre, um nur wenige zu nennen. Statt nur im weißen Würfel einzelne Werke zu ar- rangieren, ist der Hamburger Floralkünstler Mario Mahlstedt gebeten worden, die Galerie in einen mär- chenhaften Erlebnisraum zu verwandeln, der als Ma- terialisation des Emotionsspektrums der Kunst gelten kann, als Inszenierung von Erlebnis, die zugleich auch dessen Steigerung bedeutet. Mahlstedt lässt sich immer von den Dingen inspirie- ren, entwickelt die Konzepte unter dem Einfluss der Gegebenheiten und des genius loci, kombiniert Blüten, Düfte, Farben und Formen, wobei es auch immer um die jeweilige Materialcharakteristik geht, denn Textu- ren und Oberflächen sind sehr wichtig. Das sorgt für eine durchgehende ästhetische Spannung: Kontrast und Ergänzung, Betören und Schmücken, Verfremden und Kombinieren, Abgrenzung und Unterstützung und Experiment ergeben eine energiegeladene Balance, in die der Besucher eintaucht, sie mit seinen Vorstel- lungen durchdringt, mit ihr interagiert, um Erlebnis zu erfahren und ästhetische Abenteuer zu bestehen. Mahlstedt setzt seine floralen Wandinstallationen nicht in Konkurrenz, sondern als Begleiter, ja als Trä- ger der Kunstwerke ein. Er erzielt so eine gegenseitige Steigerung in der Wirkung, ein ästethisches Experi- ment auch mit dem Betrachter. Mahlstedt arbeitet nie mit Gegenständen. Keine Figür- chen, keine Tierchen und Pilzchen. Das Credo ist: Weg vom Massengeschmack – die Norm, das Gewohnte positiv aufbrechen. So entstehen Welten voller poeti- scher Kraft, unerhörte und ungesehene, märchenhaf- te, die zwar sagenhaft sind, sich aber nicht auf exis- tierende, überlieferte „alte Mären“ beziehen, in denen „wunders viel geseit“ ist – die Inszenierung selbst ist das, worum es geht. Ein Blumenteppich auf der Treppe begleitet wegwei- send die Lebensreise, erinnert vielleicht an den Weg in Alicens Wunderland, aber er verschwindet eben nicht. So geht sie in gehobener Stimmung, die Reise durch die Kunst, einmal von Omir nach Punt und retour. Kein Zweifel: Wäre dies der Scheideweg, vor dem Herkules gestanden hätte, er hätte ihn gewählt. Dass Mario Mahlstedt Blumen verwendet, liegt eigent- lich nahe: In der abendländischen Kultur ist die Blume das allgemeinste, verständlichste und beliebteste Symbol für Emotion und Empathie. Blumen schaffen ein Entrée, bieten gemeinsamen Grund und Boden des Verständnisses. Aber sie lassen auch den individuellen Zauber walten mit ihren bisweilen gar bizarren Farben und Formen, ihrem Erscheinungsreichtum, der uns die Vielfalt der Welt vorführt, die auch die Vielfalt der Kunst meint. In den Räumen mit den diversen Wandinstallationen findet eine optische Erlebnisverschmelzung statt: Der Besucher erlebt die Kunst und gleichzeitig er- fährt er durch die Installation die Qualität seines ästhetischen Erlebens. Diese Welt scheint ihm ver- traut, aber nach und nach wächst die Einsicht, dass ihm neue Sichtweisen auf seine scheinbar so selbst- verständliche Wahrnehmungswelt eröffnet werden. Die Einsicht, dass jede Gegenwart immer von der Gleichzeitigkeit des Unvereinbaren bestimmt wird, deren Widersprüche auf der höheren Ebene der „Von Omir nach Punt und zurück“ 40 Jahre Samuelis Baumgarte Galerie: Ein Stück Kunstgeschichte von Dr. Gerhard Charles Rump

Seitenübersicht