• Bernard Schultze



  • Das spitze Ding, 1984
    Aquarell auf Papier auf Leinwand, 226,5 x 137 cm
  • Wege in die Irre, 1992
    Mischtechnik auf Papier, 54 x 61 cm
  • Handbarriere, 1965
    Mischtechnik auf Karton, 49,3 x 64,3 cm
  • irgendwo lauert es, 1981
    Kreide auf Papier auf Leinwand, 234 x 144 cm

Biografie

Bernard Schultze, 1915 in Schneidemühl (Pommern) geboren, siedelte im Alter von sieben Jahren mit seiner Familie nach Berlin, wo er 1934 sein Studium an der Hochschule für Kunsterziehung aufnahm und dieses an der Kunstakademie in Düsseldorf zu Ende führte.

Sein gegenständliches Frühwerk wurde 1944 durch Bombenangriffe zerstört. Nach einer Übergangszeit in Flensburg zog Schultze 1947 nach Frankfurt am Main. Hier entstanden die „tabuskris“ (vom lateinischen „tabulae scriptae“, beschriebene Tafeln); Reliefbilder aus collagierten Alltagsgegenständen und Malerei. Durch die Freundschaft zu K.O. Götz erhielt er den direkten Kontakt zur französischen Kunstszene und unternahm regelmäßig Reisen zu den Tachisten Georges Mathieu und Hans Hartung. Im Frankfurter Amerika-Haus entdeckte er in Kunstzeitschriften u.a. die Werke von Jackson Pollock und Marc Tobey, die ihn stark beeinflussten. 1952 gründete er mit K.O. Götz, Otto Greis und Heinz Kreutz die Künstlergruppe Quadriga.

Die Lossagung von der Gegenständlichkeit stellte einen Bruch mit (künstlerischen) Konventionen dar, es war die neuentdeckte Freiheit nach der Unterdrückung durch die Nationalsozialisten und dem verstörenden Krieg. Das Informel war für Schultze eine Abgrenzung von Formen und statischen Kompositionen. Inspiriert von der surrealistischen écriture automatique, ließ er seiner Hand freien Lauf. Schultzes konzeptionslose Malerei war für ihn eine Manisfestation seiner Freiheit als Mensch und Künstler der Nachkriegszeit. Er begann an einer Ecke oder in der Mitte des Bildträgers und drehte diesen im Laufe des Malprozesses mehrfach, um die Dynamik der spontanen Komposition zu verstärken. Es entstanden vielschichtige Bilder mit teils pastosem, teils lasierendem Farbauftrag.

Ab den späten 1950er Jahren entstanden Reliefbilder, Collagen und Assemblagen, die Vorreiter seiner berühmten "Migofs" waren. Diese fantastischen Kreationen - halb Lebewesen, halb Kunst - besiedelten sein Werk ab 1961 und erwuchsen Leinwänden und Papierarbeiten bis sie schließlich zu eigenständigen raumfüllenden Skulpturen und Environments ausreiften. Von seiner Umgebung - dem zerbombten Frankfurt der Nachkriegszeit - mitbeeinflusst, präsentieren sich die Migofs oftmals imperfekt, unvollendet, verwesend, scheinbar zerstört. Trotz der zum Teil monumentalen Ausmaße haben die Migof-Skulpturen stets einen filigranen Charakter, hervorgerufen u.a. durch die blättige Anordnung der einzelnen Elemente oder das lose Drahtgeflecht. Bernhard Schultzes Beitrag zur documenta 1964 wurde fulminant von der Kunstszene aufgegriffen und seine Migof-Installationen als künstlerischer Höhepunkt beschrieben.

Einen wichtigen Teil seines Œuvres stellen die Papierarbeiten dar. Die seit den 1960er Jahren entstandenen feinen Zeichnungen mit Blei-, Filz- und Farbstift, Kugelschreiber, Tusche und Aquarell wurden oftmals durch Collagen aus Zeitungsausschnitten ergänzt. Die durch zufällige Assemblagetechnik kreierten Arbeiten regen den Betrachter zur Kontemplation und freier Assoziation an.

Seine Zungencollagen auf Papier sind akribische Kreationen. Sie bestehen aus feinen Linien und ebenso zerbrechlich wirkenden Blättern, welche sich dreidimensional vom Blatt erheben und somit eine gewisse Tiefe erzeugen.

Seine gestisch-abstrakte Arbeitsweise schlägt sich in seinen teils sehr großen Leinwänden nieder. Die naturalistischen Elemente wie surreale Landschaften, Wurzelwerk oder Verwachsungen werden vom Künstler in unterschiedlichen Farben interpretiert. Grisaille-Bilder entstehen ab den 1970er Jahren vermehrt, die 1980er sind geprägt von kräftigen satten Farben mit tiefenerzeugenden Flächen. In den 1990er Jahren malt Schultze viele Aquarelle, die durch ihre Pastelltöne eine große Leichtigkeit evozieren.

Der Maler, Bildhauer, Lyriker und Bühnenbildner Bernard Schultze starb 2005 in Köln kurz vor seinem 90. Geburtstag. Anlässlich seines 100. Geburtstages wird das neue Werkverzeichnis am 29.05.2015 im Museum Ludwig, Köln, veröffentlicht.

Wir leben in einer Zeit der Kunstfragmente und benutzen sie im Sinne des Collagierens ... Und je mehr an Historie sich um uns häuft, um so mehr dehnt sich das analytische Moment im Schöpferischen in uns aus.

Bernard Schultze

Ausstellungen

Museums- und Einzelausstellungen (Auswahl)

2016

Bernard Schultze, Karl Otto Götz ua., formlos-Kunst nach 1945, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

2015

Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind, ARP MUSEUM Bahnhof Rolandseck, Remagen

Sigrid Kopfermann - Bernard Schultze zum 100. Geburtstag, Kopfermann-Fuhrmann-Stiftung, Düsseldorf

Bernard Schultze zum hundersten Geburtstag, MUSEUM LUDWIG, Köln

Bernard Schultze, Werke aus der Sammlung Kemp, Stiftung Kemp im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

2014

Traumwelten, Museum Moderner Kunst, Wörlen

WELTREISE-KUNST AUS DEUTSCHLAND UNTERWEGS, Tourneeausstellung aus dem ifa Bestand, Rückblick auf 40 Jahre Kunst in der Auswärtigen Kulturpolitik, Beginn im ZKM Museum für Neue Kunst, Karlsruhe

2013

Privatim - Arbeiten aus der Sammlung Klaus und Doris Crummenerl, Herforder Kunstverein im Daniel Pöppelmann Haus, Herford

AUSDERZEIT, Kunst der 50er und 60er Jahre aus der Sammlung Ströher, Zusammenschau abstrakter und informeller Kunst der Nachkriegszeit mit Werken Bernard Schultze, Fred Thieler, Willi Baumeister, K.O. Götz u. a., Villa Schöningen Potsdam

MENAGERIE Tierschau aus der Sammlung Würth, Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall

Von Beckmann bis Warhol, Die Sammlung Bayer im Martin-Gropius-Bau, Berlin

TRAUM-BILDER, Pinakothek Der Moderne, München

2012

Bernard Schultze - Gegenwelten – Retrospektive, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst